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Namibia: im Jahr 2013 Ziel der Hege Helping Hands, eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Hamburger Gymnasium Eppendorf. Drei Wochen verbrachten die Jungen und Mädchen zwischen 14 und 19 Jahren in Namibia. Einen Großteil der Zeit verbrachten sie im steps Projekt in Gobabis, wo sie einen Spielplatz für die Kinder aufbauten.
Von Louisa Sara Schrum
Das Erste, was ich sehe, ist die Morgensonne. Wie ein Feuerball taucht sie den Flughafen in glutrotes Licht. Wir sind sofort hellwach. Voller Tatendrang stolpern wird die Gangway herunter, ein wenig ungläubig, dass wir es endlich geschafft haben, endlich angekommen sind.
Ein Jahr Vorbereitungszeit liegt hinter uns. Während der wöchentlichen Treffen außerhalb der Unterrichtszeit sprachen wir mit Gästen aus Namibia, wir hörten Vorträge über Infrastruktur, Tierwelt und HIV-Infektionen. Wir sammelten Spenden, verkauften Kaffee, Kuchen und Lose, organisierten Benefiz-Konzerte – und freuten uns am Ende über unglaubliche 10.000 Euro für unser Projekt. Unser Projekt, das liegt in Gobabis. Gobabis ist die Hauptstadt der Region Omoheke, ungefähr 200 Kilometer östlich von Windhoek. Die 19.000 Seelen zählende Gemeinde wurde auf der Hälfte des Trans-Kalahari-Highway errichtet, um einen für den Verkehr wichtigen Zwischenstopp zu schaffen. Weitere 10.000 Menschen leben in dem Township Epako. Das Ziel unserer Reise! Hier wollen wir für die Kinder des Townships im Projekt steps for children einen Spielplatz bauen.
Nun sitzen wir auf unseren Koffern und lernen unsere erste Lektion: Der Bus, der uns zum Projekt bringen soll, ist nicht da. Nichts ist hier planbar und alles braucht seine Zeit. Müdigkeit schleicht sich an – trotz der Aufregung – wir sind seit 24 Stunden auf den Beinen und kauern uns bei schon 25 Grad morgens um neun in den einzigen Schattenplatz. Zwei Stunden dauert es. Dann sind die Busse da.
Und wir verlassen Windhoek auf der einzigen Straße, die nach Gobabis führt. Auf der ganzen Strecke sehen wir nur endlose Dürre, einen schier endlosen Horizont und keine einzige Stadt, kein kleines Dorf. Nur ein paar Warzenschweine und Dik-Diks begleiten uns. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Bevölkerungsdichte von Namibia 2,25 Einwohner pro km² beträgt und Namibia zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland ist. Ein Großteil der Fläche ist nicht bewohnbar, durch die Namib Wüste und die Trockenheit.
Welche Freude als wir in der Goba-Lodge eintrafen. Üppige Vegetation, ein mit Wasser gefüllter Pool und riesige Straußenvögel, die uns neugierig gurrend begrüßten. Große, saubere Zimmer. Soviel Luxus hatten wir uns nicht erhofft. Wir genießen unbeschwerte Stunden am Pool – es sollten die letzten Stunden dieser Art für die kommenden zwei Wochen sein.
Wir starten am kommenden Tag mit der Vision, einen komplett neuen Spielplatz zu bauen.
Selbstverständlich hatten wir uns in Hamburg Gedanken gemacht, wie dieser umgesetzt werden kann – allerding verließen wir uns darauf, dass Menschen vor Ort einen Bauplan haben würden.
Da haben wir uns geirrt. Es gibt nicht mehr als eine Zeichnung, die uns der Projektleiter mit einem freundlichen Lächeln übergibt. Ein Blick über den großen, staubigen, steinharten eingezäunten Erdplatz, aus dem wir einen Spielplatz machen sollen, lässt uns ahnen, dass uns ein gutes Stück Arbeit erwartet. Doch nicht nur die unbarmherzige Natur, mit der sengenden Sonne und dem steinharten Boden stellt uns vor Prüfungen, sondern auch die rund dreihundert Kinder. Wir werden von ihnen quasi überrannt. Zwischen drei und neun Jahre alt nehmen sie uns mit ihrer Offenheit, ihrem Lachen, und ihrer unbändigen Lebensfreude in Beschlag. Ein Loch in dem Zaun, welches die Schule von dem Spielplatzgelände trennt, wird in den ersten Tagen zum größten Hindernis einer geregelten Arbeit.
Wann immer die Kinder unterrichtsfrei haben, krabbeln sie durch das Loch im Zaun. Und so wird das Spielen mit den Kindern auch ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Wir schmeißen sie in die Luft, spielen Schubkarre, lassen uns Zöpfe flechten und sind bewegt, wenn Dreijährige völlig übermüdet von einer weiteren durchwachten, weil zu kalten Nacht in den Hütten auf unseren Armen einschlafen. Wir erfahren in den Gesprächen mit ihnen, von Schlägen in der staatlichen Schule, von Hunger und sexuellen Übergriffen. Sie zeigen uns ihre Narben und einen Moment später stellen sie sich mit uns in einen Kreis und bringen uns ihre Tanzspiele bei. In der Bewegung scheinen sie allen Schrecken zu vergessen. Sie leben im Moment. Es gibt kein Gestern und kein Morgen.
Diese Begegnungen spornen uns an, Ärger über Hitze, fehlendes oder geklautes Material und ausfallenden Strom zu vergessen. Wir arbeiten in „Kolonnen“. Von acht Uhr morgens bis 16 Uhr nachmittags. Mit einer Stunde Mittagspause. Ein Zeitplan, der die Einheimischen nur schmunzeln lässt. Die hören um zwölf Uhr mittags, wenn die Sonne ihren Höchststand erreicht auf und beginnen erst um vier wieder, wenn es nicht mehr so heiß ist. Doch wir wollen unsere Abende in der Lodge genießen, also wird durchgeknüppelt.
Die einen buddeln insgesamt 42 Löcher, 80 Zentimeter tief, teilweise mit Kaffeebechern aus. Während andere 240 Meter südafrikanisches Hartholz per Hand zusägen. 388 Gewindestangen werden gesägt. Ebenso viele Löcher gebohrt und doppelt so viele Muttern festgezogen. 18 Liter Farbe werden auf Holz und Reifen vermalt. So entstehen sechs Wippen, ein Klettergerüst, einer Kletterwand, einer Reckstange, einer Sandkiste, einer Sitzecke, einer Rutsche, einem Reifenaufgang und einem Seilaufgang sowie zwei Slacklines. Wir meistern Stromausfälle, zerlegen drei Bohrmaschinen, reparieren den altersschwachen Zementmischer und stecken die ersten Verletzungen tapfer weg. Und wir passen uns der Mentalität an. Wir schalten ab, leben nur noch in dem Moment. Wir sägen, fluchen, lachen – ohne uns das Endergebnis auch nur im Ansatz vorstellen zu können.
Als die erste Wippe fertig ist, werden wir belohnt! Begeistert stürzen sich die Kinder darauf und wippen hemmungslos drauf los. Während in Deutschland auf jeder Seite ein bis zwei Kinder sitzen und alles dafür tun nicht runterzufallen, sitzen hier auf jeder Seite fünf bis zehn Kinder und es reizt sie gerade so doll zu wippen, dass sie herunterfallen.
Am Sonntag, zwei Wochen nach unserer Ankunft ist es dann vollbracht. Pünktlich zur Eröffnung steht ein 12 Meter langes Klettergerüst und sechs vier Meter lange Wippen, schön angemalt und sicher angebracht auf dem neuen Spielplatz. Der Bürgermeister von Gobabis kommt, Gospelchöre singen, ein Gottesdienst weiht den Spielplatz ein, der sofort von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen gestürmt wird. Die lachenden Kinder auf unserem Gerüst zeigen uns, dass wir es geschafft haben, wir haben unser Ziel erreicht. Wir haben einen Spielplatz gebaut und damit hatten wir den Kindern etwas gegeben, über das sie sich freuen konnten. Wir machten Erfahrungen, die wir in der Schule oder in Deutschland nie gemacht hätten. Und während dieser ganzen Zeremonie wird mir klar, dass wir diesen tollen Ort fürs Erste verlassen würden und es ungewiss ist, wie es mit den Kindern dort weitergehen wird.
Der Abschied fällt schwer, doch dann wartet der Bus, der uns nach Norden über das Waterberg-Plateau in die berühmte Etosha Pfanne bringt. Gleich am ersten Safari-Tag, der uns angesichts der zurückliegenden zwei Wochen wie ein unwirkliches Märchen erscheint, sehen wir Löwen und Elefanten an einem Wasserloch. Ein absolutes Highlight! In der Hinsicht haben wir großes Glück, da es nicht oft passiert, dass man insgesamt dreißig Tierarten sieht.
Nach zweieinhalb Tagen Safari brechen wir in Richtung Twyfelfontein auf, wo wir uns uralte Felsmalereien während einer Wanderung anschauen. Schließlich kommen wir nach Swakopmund, die Stadt, wo noch der größte Einfluss von Deutschland aus der Kolonialzeit zu spüren ist. Überall treffen wir auf Hellhäutige, manche sprechen Deutsch und eine Konditorei verkauft sogar Schwarzwälderkirschtorte. Auf mich wirkt das alles sehr künstlich und unpassend, genauso wie kleine Bäche, die Bismarck oder Wilhelm II heißen.
An unserem vorletzten Tag in Namibia machen wir eine der schönsten Erfahrungen, während einer “Living Desert Tour“ auf der wir Chamäleons, Schlangen und Vögel in freier Wildbahn sehen. Das Besteigen und Herunterspringen von Dünen ist das einprägsamste Natur-Erlebnis. In diesem Moment fühle ich mich, wie so oft auf der Reise, einfach glücklich und vollkommen frei.
Das Erstaunlichste ist, dass die Namib praktisch nahtlos in den Atlantik übergeht und der Kontrast von trockenem Sand zum tosenden Meer deutlich wurde.
Am nächsten Tag war es soweit, wir mussten zum letzten Mal unsere Koffer packen und fuhren zurück nach Windhoek, wo wir nach einer Stadtrundfahrt, wieder zum Flughafen fuhren und Abschied nahmen.
Ein Thema, was uns die komplette Rundreise beschäftigt, ist der große Kontrast zwischen den sehr luxuriösen Hotels und dem Leben, welches wir in Gobabis kennenlernten. In Gobabis verhungern Menschen, in den Hotels bleibt oft Essen von den großen Buffets über und wird weggeschmissen.
In Gobabis sehnen sich die Menschen nach Wasser, in den Hotels schwappte das Wasser aus dem Pool und wird als selbstverständlich angesehen. In den Townships leben die Bewohner in Wellblechhütten auf engstem Raum zusammen und auf der anderen Seite gibt es nur Doppelzimmer.
In der Gruppe sprechen wir oft und lange darüber, eine Lösung des Problems haben wir nicht. Aber wir lernen, dass man das, was man hat, mehr wertschätzen und ehren sollte.
Wir verlassen abends mit der letzten Maschine Namibia. Aus dem Fenster sehe ich ein letztes Mal die untergehende Sonne, die das Land in glutrotes Licht taucht.
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Namibia: the destination in 2013 of Hege Helping Hands, a group of students from the Eppendorf grammar school in Hamburg. The boys and girls between 14 and 19 years of age spent 3 weeks in Namibia. Much of the time they spent in the steps project in Gobabis, where they built a playground for the children.
From Louisa Sara Schrum
The first thing I see is the morning sun. Like a fireball it bathes the airport in glowing red light. We are immediately awake. Full of energy we stumble down the gangway, a bit incredulous that we have finally managed to arrive.
A year of preparation is behind us. During the weekly meetings after school, we spoke with guests from Namibia. We heard lectures on infrastructure, wildlife and HIV infections. We collected donations, sold coffee, cake and raffle tickets, organized benefit concerts – and rejoiced in the end at an incredible 10,000 euros for our project. Our project, which is located in Gobabis. Gobabis is the capital of Omoheke region, about 200 kilometers east of Windhoek. The 19,000-strong community was built halfway along the Trans-Kalahari Highway to give the traffic an important mid-way stop. Another 10,000 people live in the township of Epako. The destination of our trip! Here we want to build a playground for the children of the township in the steps for children project.
Now we are sitting on our suitcases and learn our first lesson: the bus that will take us to the project is not there. Nothing here is predictable and everything takes time. Tiredness creeps in – despite the excitement – we have been on our feet for 24 hours and cluster together in the only shady place, since it is already 25 degrees at nine o’clock in the morning. Two hours it takes. Then the buses are there.
And we leave Windhoek on the only road that leads to Gobabis. On the whole route we only see endless drought, an endless horizon and not a single town, no small village. Only a few warthogs and dik-diks accompany us. No wonder, when you consider that the population density of Namibia is 2.25 inhabitants per km² and Namibia is two and a half times as large as Germany.
What joy when we arrived in the Goba Lodge. Lush vegetation, a water-filled pool and huge ostriches, who welcomed us with curious cooing. Large, clean rooms. So much luxury we had not hoped for. We enjoy carefree hours at the pool – they should be the last hours of this kind for the next two weeks.
We start the next day with the vision to build a completely new playground.
Of course, we had thought in Hamburg about how this could be implemented – but we had assumed that the people on the spot would have a plan.
There we were wrong. There is no more than a drawing which the project manager handed over to us with a friendly smile. A look over the large, dusty, rock-hard fenced-in plot of land on which we should build a playground, tells us that considerable work awaits us. But not only the merciless nature, with the scorching sun and the rock-hard ground poses tests, but also the three hundred children. We are virtually overrun by them. Between three and nine years old they beguile us with their openness, their laughter, and their irrepressible vitality. A hole in the fence that separates the school from the playground area will be the biggest obstacle to our work in the first few days.
Whenever the children have no classes, they crawl through the hole in the fence. And so playing with the children will be an important aspect of our work. We throw them up in the air, play wheelbarrows, plait braids and are moved when completely over-tired three year olds fall asleep in our arms after having had a sleepless night in their cold huts. We hear from them of beatings in the state school, hunger and sexual assault. They show us their scars and a moment later they put us in a circle and dance for us. In the movement they seem to forget all the horrors. They live for the moment. There is no yesterday and no tomorrow.
These encounters spur us on to forget about heat, missing or stolen material and unreliable power. We work in „gangs“. From eight in the morning to four in the afternoon. With an hour for lunch. A schedule that the locals can only smile at. They stop at noon, when the sun reaches its highest point and start again at four, when it is not so hot. But we want to enjoy our evenings at the lodge, so we work through.
Some dig a total of 42 holes, 80 centimeters deep, some of them made with coffee cups. While others saw through 240 meters of South African hardwood by hand. 388 threaded rods are sawn. The same number of holes are bored and twice as many nuts are tightened. 18 liters of paint are put on wood and tires. This creates six see-saws, a climbing frame, a climbing wall, a horizontal bar, a sandbox, a seating area, a slide, a tire staircase and a rope entrance and two slacklines. We cope with power cuts, dismantle three drills, repair the decrepit cement mixer and bravely ignore the first injuries. And we adapt to the mentality. We switch off, just living in the moment. We saw, curse, laugh – and can only guess at the end result.
When the first see-saw is finished, we are rewarded! Excited, the children rush out and without hesitation bounce away uncontrollably. Whereas in Germany one or two children would sit on each end and do everything to make sure that the didn’t fall off, here between 5 and 10 children sit on each end and they are so excited by the bouncing that they fall off.
On Sunday, two weeks after our arrival, it is then finished. There, in time for the opening is a 12 meter long climbing frame and six four-meter-long see-saws, beautifully painted and securely mounted on the new playground. The Mayor of Gobabis comes, gospel choirs sing and a church service inaugurates the playground, which is immediately stormed by children and adults alike. The laughing children on our equipment show us that we did it, we have achieved our goal. We have built a playground and so we have given the kids something about which they can be happy. We had experiences that we could never have had in school or in Germany. And during this whole ceremony it becomes clear to me that we would now leave this wonderful place and it is uncertain how it will be from now on for the children.
The goodbye is difficult, but then the bus waits to take us north over the Waterberg Plateau in the famous Etosha Pan. Immediately on our first safari day, that after the past two weeks feels like an unreal fairy tale to us, we see lions and elephants at a waterhole. An absolute highlight! In this respect we are very lucky, because it does not often happen that one sees a total of thirty species.
After two and a half days safari we depart towards Twyfelfontein where we look at ancient rock paintings during a hike. Finally, we come to Swakopmund, the city where the greatest influence of Germany from the colonial period can still be felt. Everywhere we encounter fair skins, some speak German and a pastry shop even sells Black Forest Gateau. To me all this seems very artificial and inappropriate, as well as small streams with names like Bismarck and Wilhelm II.
On our penultimate day in Namibia we make one of the most beautiful experiences, where we see chameleons, snakes and birds in the wild during a „Living Desert Tour“. The climbing and jumping off of dunes is the most memorable nature experience. At this moment, I feel, as so often on the trip, just happy and completely free.
The amazing thing is that the Namib merges virtually seamlessly into the Atlantic, and the contrast between dry sand and raging sea becomes clear.
On the next day it was time to pack our bags for the last time and drive back to Windhoek, where after a city tour we again drove to the airport and bade farewell.
One issue which occupies us on the whole tour, is the great contrast between the very luxurious hotels and the life which we got to know in Gobabis. In Gobabis people are going hungry while in the hotels food is left over from the great buffets and is thrown away.
In Gobabis people yearn for water while in the hotels water spills from the pool and is taken for granted. In the townships residents live in shacks in very confined spaces and on the other side there are only double rooms.
In the group we talk long and often about it but we don’t have a solution to the problem. But we learn that what one has, one should appreciate more and honour.
We leave Namibia in the evening with the last plane. From the window I see for one last time the setting sun, which bathes the land in glowing red light.
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One Response to Namibia – land of contrasts